Bis zu rund 400 Flüchtlinge pro Tag kamen zu Spitzenzeiten in den Augsburger Erstaufnahmeeinrichtungen an. Bei einem sogenannten Erstscreening wird untersucht, ob ansteckende Krankheiten oder lebensbedrohliche Infektionen bestehen. Diese Erstuntersuchungen fanden in mehreren improvisierten Räumlichkeiten unter einfachsten Bedingungen statt. Schnell fiel auf, dass die medizinische Betreuung der Flüchtlinge nicht ausreichend organisiert war. So kam es beispielsweise anfangs zu unnötigen Notarzteinsätzen bei „harmloseren“ Erkrankungen wie Fieber und Erbrechen. Um die Situation zu verbessern schloss sich eine Gruppe von Augsburger Ärzten zusammen und engagierte sich über die offizielle Untersuchung hinaus für bessere Bedingungen bei der medizinischen Versorgung und eine respektvolle und menschenwürdige Behandlung der Flüchtlinge. Im Rahmen des Forums für interkulturelles Leben und Lernen (FILL) entstand zunächst der Arbeitskreis „Flucht und Gesundheit“ aus dem heraus sich die Medizinische Flüchtlingshilfe Augsburg e. V. (MFA) gründete. Der ehrenamtliche Verein kümmert sich als Ansprechpartner der Regierung und des Gesundheitsamtes um die Aufdeckung und Schließung von Versorgungslücken. Zusätzlich aber auch um grundsätzliche organisatorische Dinge wie die Versorgung mit Thermoskannen, Rollstühlen und Essen für unterernährte Säuglinge, oder den Anschluss von Wasserleitungen und um die Beschaffung und Verteilung der Medikamente. Die außergewöhnlichen Bedingungen erfordern nach wie vor viel Improvisationstalent. Durch die Sprachprobleme können kranke Personen oft nicht richtig aufgeklärt werden oder haben Ängste, dass sie von ihren Familien weggerissen werden, sollten sie sich behandeln lassen. Inzwischen haben die Ärzte gelernt mit Hilfe von Gesten und Mimik sowie mittels Übersetzungs-Apps und Bildwörterbüchern die Beschwerden zu verstehen. Zukünftig sollen vermehrt Dolmetscher eingesetzt werden. Hierfür eignen sich vor allem geflüchtete Ärzte, die als Sprachvermittler unterstützen können. Der Verein möchte diesen Ärzten zusätzlich vermehrt Hospitationen ermöglichen, was ein wichtiger erster Schritt zur beruflichen Anerkennung als Arzt in Deutschland ist. Seit September 2015 werden an den Wochenenden Sprechstunden angeboten, damit erkrankte Flüchtlinge direkt in den Aufnahmeeinrichtungen untersucht und betreut werden können. Die MFA knüpft auch Verbindungen zu Fachärzten, wie z. B. Gynäkologen und Kinderärzten. Auch zu traumatherapeutischen Hilfsangeboten werden Kontakte vermittelt, wie z.B. zu dem Projekt „NADA – Akupunktur für Flüchtlinge“. Im Grand Hotel Cosmopolis in Augsburg findet in einer offenen Gruppe Akupunktur mit Nadeln oder Kügelchen statt, was die negativen Folgen von Stress und Traumata mildern kann. Weitere Infos finden Sie hier.
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FiLL - Forum interkulturelles Leben und Lernen
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